Nach dem „Chorzeit“ Kommentar (Update: leider nicht mehr online verfügbar) von Susanne Faatz (der Chorleiterin der JazzVocals) über ihre Erfahrungen beim diesjährigen Deutschen Chorwettbewerb (DCW), habe ich mir auch mal ein paar Gedanken gemacht, wie ich mir eigentlich den idealen Chorwettbewerb für Pop- und Jazzchöre und -Ensembles vorstelle. Manches davon ist sicherlich etwas naiv und in der Praxis nicht realisierbar, aber vielleicht sind ja trotzdem ein paar Ideen/Anregungen für Wettbewerbsorganisatoren interessant. Ich würd mich auf jeden Fall freuen, eure Gedanken zu dem Thema zu lesen! Wo seid ihr meiner Meinung? Was würdet ihr anders lösen?
Grundsätzlich finde ich das Konzept des Deutschen Chorwettbewerbs, ein mehrstufiges Verfahren anzuwenden, sehr gut. Dadurch haben auch schwächere Chöre auf Landes- oder Regionenebene die Möglichkeit, sich einer Jurybewertung zu stellen. Es wird aber nur die „Elite“ zum DCW weitergeleitet. Das ergibt für mich deutlich mehr Sinn als eine leistungsbasierte Einteilung in A- und B-Kategorien, die nur auf Basis einer Tonaufnahme o.Ä. im Vorfeld erfolgt.
Was mir am Konzept des DCW nicht 100% gefällt, ist die Regelung, dass prinzipiell aus jedem Bundesland (egal, wie groß es ist) nur ein Chor weitergeleitet werden kann/sollte. Chöre, die in einem Bundesland angesiedelt sind, in dem das musikalische Niveau hoch und die „Konkurrenz“ ebenfalls sehr gut ist, müssen auf eine „Option auf Weiterleitung“ hoffen, falls sich in einem anderen Bundesland kein Chor qualifiziert. Gut fände ich deshalb, wenn unabhängig von der Situation in anderen Bundesländern mehrere Chöre weitergeleitet werden könnten. Denkbar wäre z.B., die Grenze auf maximal drei Chöre pro Land zu erhöhen. Wenn das Niveau so hoch bleibt, wäre es aber vermutlich sinnvoll, die Punktegrenze nach oben zu setzen, so dass Chöre nicht mehr mit 21,0, sondern erst mit 22,0 Punkten weitergeleitet werden. Im Umkehrschluss würde das unter Umständen bedeuten, dass aus manchen Ländern kein Chor weitergeleitet wird – was ich persönlich fair fände, wenn das Niveau anderswo höher ist.
Die Jury sollte bereits bei den Vorentscheiden auf Landes-/Regionenebene ausschließlich aus Personen bestehen, die sich im Pop-/Jazzbereich gut auskennen und die idealerweise schon einmal die Sieger des vorangegangenen DCW gehört haben, um den Maßstab zu kennen. Eventuell wäre es sogar sinnvoll, den Chorleiter in die Jury zu berufen, der den letzten Wettbewerb gewonnen hat, da der Siegerchor ohnehin von der Teilnahme am nächsten Wettbewerb ausgeschlossen ist. (Ich möchte aber betonen, dass die Jury beim DCW sehr hochkarätig besetzt war.)
Gut – aber vermutlich nicht realisierbar – fände ich auch, wenn mindestens ein Jurymitglied bei allen Landesentscheiden teilnehmen würde, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Dann wäre vermutlich ausgeschlossen, dass ein Chor, der mit der großartigen Wertung von 24 Punkten weitergeleitet wird, beim DCW feststellen muss, dass die anderen Chöre im Wettbewerb überwiegend besser sind. (Das muss ein ziemlicher Schock gewesen sein!)
Positiv finde ich beim DCW die Vorgabe eines Pflichtstücks zur besseren Vergleichbarkeit. Schön wäre allerdings, wenn die Chöre, wie in einigen anderen Kategorien die Auswahl zwischen mehreren Liedern hätten.
Ähnlich wie in anderen Kategorien sollten auch bei den Pop- und Jazzchören und -Ensembles Sonderpreise für besondere Leistungen vergeben werden z.B. für herausragende Arrangements, tolle Soli, überzeugende Choreografien, etc. Dabei kommt es auch nicht auf eine finanzielle Belohnung an, die Anerkennung der Leistung steht im Vordergrund.
Im Pop-/ Jazzbereich wäre auch ein etwas lockerer Umgang mit Technik (wie in der Ensemblekategorie) wünschenswert, was z.B. die Verwendung von Mikrofonen oder Loopmachines angeht, da sie mittlerweile für einige Chöre zur Standardausstattung gehören.
Was die Kategorien angeht, finde ich es sehr positiv, dass beim DCW bereits eine Unterscheidung zwischen Chor und Ensemble getroffen wird – das gab es beim Wettbewerb im Rahmen des Deutschen Chorwettbewerbs beispielsweise noch nicht – und dass zwischen A-cappella-Chören und Gruppen mit Band differenziert wird. Mehr Kategorien (z.B. getrennt nach Musikgenre Pop, Jazz, Gospel, etc.) müsste es meiner Ansicht nach nicht unbedingt geben. Problematisch finde ich allerdings teilweise, dass Chöre von Musikhochschulen keiner Sonderkategorie zugeteilt sind, da ich hier die Vergleichbarkeit mit einem „normalen“ Laienchor stark anzweifle. Eventuell wäre zukünftig bei der Ensemblekategorie noch eine Unterscheidung nach Besetzung (rein männlich, weiblich und gemischt) sinnvoll. Allerdings nur, wenn die Teilnehmerzahl in dieser Kategorie wächst.
Um das Wettbewerbserlebnis perfekt zu machen, gehören natürlich noch ein paar andere Dinge dazu: die Begegnung mit anderen Chören (idealerweise in gemeinsamen Konzerten, Workshops und Möglichkeiten zum Feiern) und die gesamte Logistik und Organisation, die dahinter steckt – von der Unterbringung der Teilnehmer, über Stellproben, Einsingräume und Ablaufpläne bis hin zur Ergebnisbekanntgabe und Begründung der Jury. Ich habe einen riesigien Respekt vor der Leistung der Organisatoren und bin immer wieder überrascht, wie gut alles im Großen und Ganzen läuft. Es gab allerdings in den letzten Jahren bei den Wettbewerben des Deutschen Chorverbands und des Deutschen Musikrats etwas, das schon mehrfach negativ aufgefallen ist: die schlechte Raumsituation. Obwohl sich gerade im Pop-/Jazzbereich so viel in der Szene tut, die Kategorien immer sehr viele Teilnehmer aufweisen und sie ein großer Publikumsmagnet sind, finden die Wettbewerbe häufig in viel zu kleinen Räumlichkeiten statt. Das ist nicht nur für die Zuschauer frustrierend, die vielleicht nur angereist sind, um diese Gruppen zu hören. Die Wettbewerbsteilnehmer haben natürlich auch ein großes Interesse daran, die anderen Chöre ihrer Kategorie zu hören. Wenn es nicht möglich ist, den Pop- und Jazzchören im Rahmen eines Wettbewerbs mit vielen anderen Kategorien gerecht zu werden, wäre es gut, separate Wettbewerbe durchzuführen, die zeitlich getrennt stattfinden.
Das alles ist mit sehr großem Aufwand verbunden und ich bin Organisationen wie den Chorverbänden und dem Deutschen Musikrat sehr dankbar, dass sie diesen Aufwand auf sich nehmen. Ich glaube, das man unter Umständen mit einer (höheren) Teilnahmegebühr vielleicht noch die ein oder andere Sache finanzieren könnte, die wir uns wünschen. Deshalb würde ich dafür plädieren, immer zumindest eine kleine Gebühr pro Person (10-20 Euro) für die Wettbewerbsteilnahme zu erheben. Preise, die man gewinnen kann, spielen für mich, wie bereits erwähnt, keine wichtige Rolle.
Im Großen und Ganzen ist das alles natürlich Jammern auf sehr hohem Niveau. Gerade im Vergleich mit internationalen Wettbewerben, die beispielsweise vom kommerziellen Anbieter Interkultur organisiert werden, und in denen häufig alles in einen Topf geworfen wird, was im allerweitesten Sinne mit Pop/Jazz zu tun hat, sind wir in Deutschland eigentlich in einer Luxussituation. Trotzdem wäre es in manchen Dingen an der Zeit umzudenken und Chören dieser beliebten Kategorien die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdienen.