Bestimmt seid ihr schon einmal über den Begriff „Crowdfunding“ gestolpert und habt euch gefragt, was es damit auf sich hat. Kurz gefasst geht es um die Finanzierung von Projekten durch die Unterstützung von Außenstehenden, die im Gegenzug für ihre Geldspende ein Dankeschön erhalten. Crowdfunding wird für eine Vielzahl von unterschiedlichen Projekten eingesetzt und hat sich mittlerweile auch in der Chor- und A-cappella-Szene durchgesetzt. Beispiele für erfolgreiche Kampagnen sind u.a.
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der Virtual Choir 4: Bliss von Eric Whitacre (100.000 $)
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die DVD-Produktion von Maybebop (25.000 €)
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der Workshop und das Konzert der The Real Group im Rahmen der Zürcher Acappellanight im Januar 2016 (6.000 CHF)
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eine Chorfahrt der JazzVocals von Berlin nach St. Petersburg (2.000 €)
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ein Chorworkshop mit Maybebop am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Halberstadt (1.500 €)
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sowie viele Chor-CDs, u.a. von Groophonik (5.555 €), dem Psycho-Chor des FSU Jena (4.000 €) und Popkon (2.600 €).
Ganz aktuell läuft bei startnext eine Crowdfunding-Kampagne der Freiburger Vokalband Unduzo zur Finanzierung ihres dritten Albums. Mit Bass Richard Leisegang habe ich bei der chor.com über die Kampagne und die Vorteile von Crowdfunding gesprochen.
- Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euer neues Albums über Crowdfunding zu finanzieren?
Ich habe 2012 schon einmal eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich für das Freiburger Projekt „Visual Tonality“ umgesetzt. Er ging dabei darum, die Klangmöglichkeiten der menschlichen Stimme nicht nur hörbar zu machen, sondern sie visuell im Raum auf vielfältige Weise in Szene zu setzen. Bei Unduzo wollten wir es jetzt einfach auch einmal ausprobieren, weil wir glauben, dass es inzwischen einige Menschen gibt, die sich dafür interessieren und bereit sind, uns zu unterstützen. Der Vorteil wäre, dass wir nicht nur mit unserem eigenen Budget dafür gerade stehen müssen, sondern uns Unterstützung von außen holen können – von Leuten, denen unsere Musik gefällt.
- Wie funktioniert das Ganze?
Es gibt Prämien dafür, wenn man sich an der Finanzierung beteiligt. Für Chöre arrangieren wir zum Beispiel für 300 € eines unserer Lied speziell für ihre Besetzung oder schreiben für 600 € sogar ein eigenes Lied für sie. Zu den anderen „Dankeschöns“ gehören Workshops und Konzerte mit uns. Und wir werfen unseren Beatboxer Julian für 40 € mit Klamotten ins Wasser, worauf hoffentlich viele Leute zurückgreifen werden. Alle Leute, die schon einmal enger mit ihm zusammengearbeitet haben, sollten jetzt genau hinhören! Von mir gibt es für 20 € eine Massage. Ich habe durch zwanzig Jahre Singen im Chor viel Erfahrung darin und einen heilenden Daumen. 😉 Es gibt Unduzo Buttons, Ohrringe, Manschettenknöpfe, natürlich das neue Album und noch einige andere schöne Sachen.
- Welche Voraussetzungen müssen deiner Meinung nach erfüllt sein, damit eine Crowdfunding-Kampagne Erfolg hat? Kann das auch bei Gruppen funktionieren, die noch unbekannt sind?
Es kommt v.a. auf die Höhe der Summe an, die man erreichen möchte. Wenn man z.B. nur 2.000 € braucht, um ein erstes, kleines Promovideo zu machen, kann das schon funktionieren. Dann schreibt man einfach alle Tanten, Onkel, Omas und Opas an und dann kommt die Summe relativ schnell zusammen. Grundsätzlich muss man einfach eine gute Idee haben und viele Leute erreichen. Dafür eignet sich z.B. Facebook gut.
- Warum hab ihr euch für startnext als Plattform für eure Crowdfunding-Kampage entschieden?
Für die „Visual Tonality“ Kampagne haben wir vor drei Jahren startnext genutzt. Ich kannte also das Procedere und musste mich nirgends neu eindenken. startnext ist einer der Anbieter, die Crowdfunding nach Deutschland geholt und es hierzulande salonfähig gemacht haben. Um ein Projekt auf startnext bis in die Finanzierungsphase zu bringen, muss man ziemlich viel vorarbeiten und sich unterschiedlich verifizieren. Das bringt für den Initiator natürlich viel Vorarbeit mit sich, garantiert den Zahlenden aber, dass das Geld auch dort ankommt, wofür sie es spenden. Das System wurde in den letzten Jahren immer wieder angepasst. Es gibt kaum noch Haken und sowohl die ideelle als auch finanzielle Unterstützung gelingt kinderleicht!
- Wie hoch ist die Summe, die ihr benötigt und wofür werdet ihr das Geld ausgeben?
Wir benötigen für unser Projekt 10.000 €. Für unser letztes Album „Und du so…?!“ haben wir 1,5 Jahre gebraucht, weil wir alles selbst gemacht haben, wir konnten nichts auslagern. Das war sehr anstrengend und wir würden das gerne beim nächsten Mal professionalisieren. Wir würden gerne zu sechst (mit Techniker) zwei Wochen irgendwohin fahren, z.B. in ein Aufnahmestudio, wo nicht jeder abends noch in eine Chorprobe gehen kann, sondern wir inspiriert und konzentriert zusammenarbeiten können. Wir würden auch gerne jemand ins Boot holen, der „frische Ohren“ und als Produzent viel Erfahrung hat – vielleicht sogar abseits des A-cappella-Marktes. Das Produzieren kostet Geld, ebenso wie die CD-Pressung und das Digipack. Wir wollen auch im Marketing professionellere Wege beschreiten. Wenn ein Album herauskommt, kann das schnell verpuffen. Deshalb wollen wir auch dafür ein bisschen Geld in die Hand nehmen.
- Ist die CD komplett finanziert, wenn die Kampagne Erfolg hat?
Nein, im Schnitt kostet eine CD-Produktion 30.000 € und das ist eher unterstes Level. Als Musiker hat man dann damit noch nichts verdient. Unser erstes Album „War doch nicht so schwer“ hat 5.500 € gekostet, das zweite ca. 20.000 – 25.000€ , aber dann kostet es noch Geld, damit die Leute davon erfahren.
- Was passiert, wenn ihr die 10.000 € nicht erreicht? Bekommt ihr dann nichts von den bisherigen Spenden?
Genau! Wenn wir die 10.000 € nicht erreichen, dann geht das Geld zurück an die UnterstützerInnen zurück. Startnext sieht in diesem Fall das Projekt und dessen Umsetzung gefährdet.
- Wie sieht euer Wunsch-Zeitplan für das Projekt aus?
Unser Wunsch wäre, dass alle Songs, die auf das Album sollen, noch dieses Jahr fertig werden. Bis zur ersten Januarwoche sollte sie jeder auswendig können. Dann treffen wir uns für eine Woche, proben die neuen Stücke gemeinsam und überlegen, wie wir sie produzieren wollen. Im Frühjahr soll dann auch schon eine Aufnahme von „Guide-Tracks“ passieren, die idealerweise perfekt intoniert sind und uns helfen werden, wenn wir die Songs dann im Studio einsingen.
Ziel ist es, dass wir nicht wie beim letzten Mal mit den Aufnahmen in Lindas Wandschrank 1-1,5 Jahre brauchen, um das neue Album aufzunehmen. Die CD soll Ende 2016 oder Anfang 2017 herauskommen.
- Was können die Fans vom neuen Album erwarten?
Es wird ziemlich poplastig, aber natürlich werden auch wieder ein paar Comedy-Sachen darauf zu hören sein. Von den Songs, die jetzt schon in unserem Programm sind, werden auf jeden Fall „Der Astronaut“ und der „Gigolo“ Teil der CD sein. Für die beiden Songs haben wir gerade Preise im Rahmen des Songwriting-Wettbewerbs „Gebt uns Songs“ gewonnen. Zu den anderen Liedern möchte ich noch gar nicht so viel verraten, aber wir wollen etwas Originelles machen, was es im A-cappella-Bereich bisher so noch nicht zu hören gab. Unser letztes Album kam im Herbst 2014 heraus und mit dem Titel „Left Right Down“ haben wir es auf die A-cappella-Compilation „Voices Only Forte IV“ geschafft – als eine von nur zwei deutschen Gruppen. Der Song wurde eigens dafür ausgewählt und wir haben dadurch Blut geleckt. Das ist die Richtung, in die wir uns bewegen wollen.
Vielen Dank für das Gespräch, Richard! Ich drücke euch die Daumen für die Finanzierung und die Produktion des Albums!
Hier könnt ihr Unduzo bis zum 9.12.2015 bei ihrem Vorhaben unterstützen:
https://www.startnext.com/en/unduzo-euer-album
[youtube id=“OvU5wnNqmV8″]
Ein sehr schönes Interview. Auf Crowdfunding greifen mittlerweile immer mehr Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen zurück und es ist erstaunlich, was sich bislang dadurch schon alles hat realisieren lassen. Mit der richtigen Idee lassen sich tolle Projekte auf die Beine stellen.
Vielen Dank für den netten Kommentar!