Zwischen völliger Übermüdung nach einer Hammer-Party bei der Jazz Night im Rahmen des Deutschen Chorwettbewerbs und der Ergebnisbekanntgabe für den ersten Teil hier noch ein paar Zeilen zu Wettbewerbstag.
Den Auftakt bildete You’n’Joy Cäcilia Lindenholzhausen aus Hessen mit einem fast kompletten Oliver-Gies-Programm. Hier zeigte sich, was schon bei Fanjazztic deutlich wurde. Man kann aus einem Laienchor viel herausholen, aber die Grenze liegt immer bei den Fähigkeiten der einzelnen Sängerinnen und Sänger. Besonders, wenn in dem Ensemble nicht nur ganz junge Hüpfer mitsingen, hört man in Einzelfällen eine fehlende Stimmbildung. Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – eine beachtliche Leistung!
Ostbahngroove (nicht -hof!) sind die Newcomer beim DCW in diesem Jahr. Der Chor ist noch ganz frisch, aufgrund der großen Erfahrung, die einige Mitglieder aus anderen Chorprojekten mitbringen, haben die Münchner aber schon jetzt eine beeindruckende Qualität erreicht. Bei den ersten Tönen von „Wenn ich ein Vöglein wär“ bin ich förmlich dahin geschmolzen und habe mich kollektiv in die Männer des Ensembles verliebt. 😉 Man hat ihnen die Nervösität deutlich angemerkt, aber das hat sie nur sympathisch gemacht. Unterhaltsam waren auch die kurzen (beim Wettbewerb völlig ungewöhnliche) Zwischenmoderation quasi ohne Inhalt. Man wird noch viel vom Ostbahngroove hören (dafür sorg ich ;-))
Vocalis aus Rheinland-Pfalz haben eine ähnliche Altersstruktur wie You’n’Joy und Fanjazztic und damit ähnliche Schwierigkeiten. Dazu kamen leider bei dem Auftritt noch einige musikalische Baustellen (Intonationswackler, unpräzise Einsätze und leider ein sehr uneinheitliche Klang innerhalb der Stimmgruppen), aber meine Herren, was haben die für eine Stimmung gemacht! So viel Spaß wie bei dem Medley „Sweet dreams“ und der „Moritat von Mackie Messer“ hatte das Publikum bei kaum einem anderen Chor. Und mal ehrlich – gehts bei Singen auf der Bühne nicht v.a. darum, andere mitzureißen? Das ist vocalis auf jeden Fall zu 100% gelungen.
Vocalive aus Hessen haben bereits 2010 den Deutschen Chorwettbewerb gewonnen. Der sehr große Chor brachte einen Klang auf die Bühne, der einem ehemaligen Deutschen Meister würdig ist, aber angesichts der Große kam leider sehr wenig Lautstärke und damit auch Energie beim Publikum an, was vielleicht auch an der Mikrofonierung lag. Außerdem fand ich etwas schade, dass mindestens zwei der Stücke schon 4-6 Jahre im Repertoire sind. Hier hätte ich mir einfach mehr Neues gewünscht, aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau. (Korrektur: Es war nur eins der Stücke schon so lange im Repertoire. Bei „Shackles“ war ich fälschlicherweise der Überzeugung, ich hätte es schon 2014 in Weimar von Vocalive gehört, aber da habe ich den Chor wohl verwechselt, was vielleicht verzeihlich ist, wenn man bedenkt, dass das Stück bei Chören sehr beliebt ist…)
Der Jazzchor der Uni Bonn ist vielen aus der TV-Sendung „Der beste Chor im Westen“ bekannt und konnte mit einem soliden Auftritt beim Wettbewerb überzeugen. Gerade bei „Teardrop“ (angelehnt an das Arrangement von ONAIR) kam viel Power beim Publikum an. Bei den ruhigeren Stücken hat mir ihr schöner Chorklang und die unaufgeregte Bühnenpräsenz toll gefallen.
PopKon aus Cottbus haben mit ihrem Outfit endlich ein bisschen Farbe ins Spiel gebracht. (Liebe Chöre, Pastel-Töne bitte nur in Maßen, das wirkt ansonsten nach Praxisteam. ;-)) An PopKon hatte ich relativ hohe Erwartungen, weil sie mir beim DCW 2014 sehr gut gefallen haben. Man hat dem Chor den Spaß auf der Bühne angemerkt und gerade bei den leisen Stellen hatten die Sängerinnen und Sänger wirklich einen tollen Klang, sobald es laut wurde, ist aber leider etwas die Homogenität in den Stimmgruppen verloren gegangen – trotzdem ein schöner Auftritt!
Eins meiner persönlichen Highlights des gesamten Wettbewerbs war zimmmt aus Berlin. Auch hier war nicht immer alles zu 100% präzise, aber der Chor hat etwas an sich, was mich bei jedem Auftritt ziemlich glücklich hinterlässt. Das erste Stück „Inca Yuyo“ hat mit Body-Percussionist-Elementen gleich mal richtigSpaß gemacht und war musikalisch eine schöne Abwechslung zu den poppigeren Stücken des Tages. Die 80er-Hymne „Voyage Voyage“ habe ich auch noch nie a cappella gehört, was bei mir immer Pluspunkte gibt. 😉
Alles in allem war es ein toller Wettbewerb mit einem Niveau, das im Vergleich zu Weimar 2014 aus meiner Sicht nochmal angestiegen ist. Bald ist die Ergebnisbekanntgabe. Dann sehen wir, wie die Jury bestehend aus Matthias Becker, Bertrand Gröger, Jens Johansen, Esther Kaiser und Kim Nazarian entschieden hat. (Ich habe mir sagen lassen, dass sie in den Bewertungsgespräche wohl schon ziemlich kritisch waren, was man aber bei so einem Niveau vielleicht auch sein muss.) Ich für meinen Teil bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss und dass in meiner persönlichen Wertung auch immer mit hineinspielt, wie viel Spaß mir ein Auftritt gemacht hat… Egal wie es ausgeht, liebe Chöre, ihr könnt alle stolz auf euch sein!
Welchen Song außer dem französischen ist bei Vocalive schon vier bis sechs Jahre im Programm? Da liegst du leider nicht richtig mit deiner Einschätzung.
Singt ihr „Shackles“ nicht auch schon eine ganze Weile? Vielleicht hab ich euch da aber auch mit einem anderen Chor verwechselt, von dem ich das in Weimar gehört hab.
Bis auf Chanson war kein Stück in Weimar im Programm. Damals wussten wir noch gar nicht, dass wir Shackles & Co. einstudieren würden…
Dann tuts mir leid, dass ich euch da verwechselt hab. Hat auch echt Spaß gemacht, es von euch gesungen zu hören, auch wenns aus meiner Sicht ein bisschen ein alter Hut bleibt. (Man könnte natürlich auch sagen, ein Klassiker… ;-))
Denke das ist Geschmacksache. Klassiker sind aus meiner Sicht eher Titel wie Chili con carne oder Sing, sing, sing.
Ja, darauf läuft es am Ende eh immer raus…
Du hast das Sänger-Herz auf deiner Zunge und bringst die Dinge nachvollziehbar und kritisch auf den Punkt.
Danke, für deine Klarheit und Zusammenfassung!
Ich finde mich in allen Punkten wieder….
Wir sind ein Publikumschor und wir lieben es! 😉
Ihr habt mich wirklich toll unterhalten! Macht unbedingt weiter! Es geht (abseits von den Wettbewerben) ja Gott sei Dank beim Musizieren um mehr als Intonation, Rhythmik und Co. Leute mitzureißen ist die größte Kunst!
Vielen Dank für Deine Nachlese, das ist toll, weil man ja als Teilnehmer nicht alle Chöre hören kann, mir fehlten wieder 5 oder 6. Dann ist es fantastisch, nochmals so eine Zusammenfassung zu lesen!
Danke! Ist ja alles nur meine subjektive Sicht, aber freut mich natürlich umso mehr, wenn auch Profis wie du was mit meinem Geschreibsel anfangen können
Aha….“ältere SängerInnen“ haben keine Stimmbildung…so so…und sehen wahrscheinlich auch nicht so gut aus, wie die „jungen Hüpfer“ ….das nenne ich Dikriminierung….
Vielen Dank für den Kommentar! Ich wollte auf keinen Fall jemand diskriminieren – im Gegenteil, ich hab den größten Respekt vor allen Gruppen, die es nach Freiburg geschafft haben! (Mit meiner eigenen Gruppe hat es dafür nicht gereicht.) Meine Formulierung war vielleicht nicht ganz glücklich. Was ich sagen wollte, ist,dass es ein Chor, im dem viele Sänger vielleicht erst zu einem späten Zeitpunkt mit Stimmbildung anfangen oder vielleicht auch gar nicht in den Genuss kommen, es schwerer haben, als die ganz Jungen, die quasi von „klein auf“ entsprechend geschult wurden. Die Stimme altert schließlich wie der Rest des Körpers, aber man kann lernen, damit umzugehen. Ich habe auch von Einzelfällen bzw. einzelnen SängerInnen gesprochen, in denen die fehlende Stimmbildung einfach hörbar war. Das bezog sich nicht auf alle.
Aha….“ältere SängerInnen“ haben keine Stimmbildung…so so…und sehen wahrscheinlich auch nicht so gut aus, wie die „jungen Hüpfer“ ….das nenne ich Diskriminierung….