Nachlese zum Deutschen Chorwettbewerb 2018 (Kat. H2)

Heute gehen wir mal gemeinsam einem kleinen Skandal auf die Spur. 😉 Wer wie ich im letzten Jahr aufmerksam die Landeschorwettbewerbs (LCW) verfolgt hat, dem müsste aufgefallen sein, dass unter den Preisträgern in der Kategorie H2 (Vokalensembles – Populäre Musik) noch ein paar Namen mehr aufgeführt waren als jetzt unter den Teilnehmern für den Deutschen Chorwettbewerb (DCW) sind. Der Hintergrund dafür ist, dass der Deutsche Musikrat den Landesmusikräten, die die Vorentscheide ausgerichtet haben, im Nachhinein auf die Finger geklopft hat, weil sie bei der Preisvergabe bzw. schon bei der Zulassung die Regeln nicht beachtet haben. Am Deutschen Chorwettbewerb (und an den Landeschorwettbewerben) dürfen nämlich nur Gruppen teilnehmen

deren Mitglieder ausschließlich Personen sind, die ihren überwiegenden Lebensunterhalt nicht durch Singen oder Gesangsunterricht verdienen.

Als es dem Musikrat aufgefallen ist, war das Kind leider schon in den Brunnen gefallen. Die qualifizierten Ensembles mussten alle eine Selbstauskunft geben. Wenn unter den SängerInnen und Sängern einer Gruppe nur eine Person war, die ihren Lebensunterhalt zu mehr als 50% mit dem Singen bzw. Gesangsunterricht verdient (Dirigieren und andere musikalische Tätigkeiten zählten anscheinend nicht), wurde die Gruppe nachträglich disqualifiziert. Die betroffenen Gruppen bekamen das Angebot ohne Wertung aufzutreten, was aber (vermutlich aus Kostengründen) von keiner Vokalband angenommen wurde.

Deshalb sind wir nicht in den Genuss gekommen Blended, Soundescape und Quintense zu hören. Ich bin noch nicht ganz sicher, wie ich diese Entscheidung finde. Auf der einen Seite ist es natürlich positiv, dass der Musikrat die Vergleichbarkeit sicherstellen und nur Laienensembles zulassen möchte. Auf der anderen Seite kommt die Entscheidung natürlich viel zu spät für die Ensembles, die sich offiziell in den Bundesländern qualifiziert und schon auf ihre Teilnahme gefreut haben – auch deshalb, weil sich in den vergangenen Jahren niemand besonders für diese Regelung interessiert haben kann, wenn man sich ehemalige Teilnehmer anschaut. Darüber hinaus ist die Unterscheidung, wer denn jetzt genau als Profi zählt, auch ein bisschen fragwürdig. Bei einer Selbstauskunft kann man natürlich immer auch Dinge entsprechend auslegen und dadurch passend machen. Zumindest bei einer Vocal Band, die noch beim DCW dabei ist, hat es mich sehr gewundert, dass sie nicht in die selbe Kategorie wie die oben genannten Gruppen fallen soll. Hier sollte sich der Deutsche Musikrat auf jeden Fall nochmal mit den Landesverbänden zusammensetzen und überprüfen, wie man diese unglückliche Situation in Zukunft vermeiden kann.

So oder so finde ich es schade, dass die Kategorie mit nur 5 Ensembles jetzt so klein geraten ist. Wenn man schon Profis ausschließt, hätte man vielleicht auch darüber nachdenken können, die Mindestpunktzahl für eine Weiterleitung herunterzusetzen und damit mehr Gruppen zum DCW zuzulassen. (Mich persönlich hätte das auf jeden Fall aus ganz eigennützigen Gründen sehr gefreut. ;-))

Was ihr ansonsten noch über die Kategorie H2 wissen solltet, ist, dass es anders als in anderen Kategorien kein Pflichtstück gab. Lediglich ein Swing-Titel musste im Programm enthalten sein. Theoretisch hätten auch unterschiedliche musikalische Stile im Repertoire abgebildet sein sollen. Davon habe ich aber bei den Auftritten der Gruppen nicht so viel gemerkt…

Jetzt kennt ihr auf jeden Fall mal die Rahmenbedingungen und wir können zum Wesentlichen übergehen – dem Wettbewerb.

Bar Nineteen aus München machten den Auftrakt. Das siebenköpfige, gemischte Ensemble gibt es bereits seit 16 Jahren. Man merkt, dass die Gruppe ein eingespieltes Team ist und sie haben das Publikum besonders mit ihrem „Augustiner-Feeling“ gut unterhalten. Etwas befremdlich fand ich im Kontext dieses Wettbewerbs nur die Chormikrofonierung.

Die ebenfalls gemischen „Die Juppies“ aus Weimar überzeugten mit fünf eigenen Arrangements aus der Feder des musikalischen Leiters Andreas Kuch – das allein fand ich schon mal sehr positiv. Musikalisch war das Ganze auf einem relativ hohen Niveau und auch sehr zeitgemäß interpretiert (inklusive Einzelmikrofonierung). Nur der oft etwas klassische Klang hat nicht so ganz ins Bild gepasst.

Petitfour sind vier junge Frauen aus Berlin (und damit schon eine Besonderheit innerhalb der Vocal-Band-Szene), die ihr ganz eigenes Ding machen mit Beatbox und Octaver. Es war nicht alles 100% sauber, aber mir hat der Auftritt trotzdem sehr gut gefallen, weil sie ein Gefühl dafür vermittelt haben, was moderne, innovative A-cappella-Musik ausmacht und was durch die technische Unterstützung alles möglich ist.

Die HörBänd aus Hannover galt wahrscheinlich bei vielen im Vorfeld schon als heißester Kandidat für den Kategoriesieg. Immerhin haben die fünf Sängerinnen (1) und Sänger (4) schon in der Vergangenheit diverse Preise eingeheimst. Durch die Funkmikros und die routinierte Bühnenpräsenz wurde bei ihrem Wettbewerbsauftritt auch gleich deutlich, dass wir uns hier auf einem anderen Level bewegen. Mit ihren großteils humorvollen, selbst geschriebenen Arrangements hatten sie das Publikum auf jeden Fall fest auf ihrer Seite. Zwei der Songs hat das musikalische Mastermind der Gruppe Joshua Bredemeier sogar komplett selbst komponiert. Schön fand ich, dass sie gezeigt haben, dass sie nicht nur lustig können. Auch die Ballade „Ruhe“, die die fünf unplugged vorgetragen haben, war sehr überzeugend und gefühlvoll interpretiert. Es würde mich sehr wundern, wenn das nicht den ersten Platz gibt…

Nach drei gemischten und einem reinen Frauen-Ensemble ging mit den Vicc-Tones von Bülow ein reines Männerensemble an den Start und brachte mit seiner Barbershop-Ausrichtung gleich auch noch eine ganz andere musikalische Farbe ins Spiel. Sehr charmant war die Zusammensetzung: 3 Jungs (Durchschnittsalter ca. 18) und ihr Lehrer am Vicco-von-Bülow-Gymnasium Falkensee (in Brandenburg). Das Ensemble hat sich erst vor zwei Jahren gegründet und dafür einen super Job gemacht. Sie haben wirklich schön gesungen und auch toll unterhalten. Bin gespannt, wie sich das in der Jury-Wertung von Matthias Becker, Katharina Henryson, Jussi Chydenius, Kim Nazarian und Tobias Hug widerspiegeln wird.

Die Wertung gibts dann morgen auf meiner Facebook-Seite. Links, Videos und Fotos in diesem Artikel werden ebenfalls noch ergänzt. Wir uns sehen uns dann heute bei G2!

Ein Gedanke zu “Nachlese zum Deutschen Chorwettbewerb 2018 (Kat. H2)

  1. Vielen Dank für den lesenswerten Beitrag, und für die netten Worte.
    Du schreibst „Etwas befremdlich fand ich im Kontext dieses Wettbewerbs nur die Chormikrofonierung.“
    Das geht auch uns von bar nineteen so. Denn ursprünglich war das auch nicht so geplant. Beim Bayerischen Chorwettbewerb wollten wir nämlich durchaus mit Mikros singen, bekamen aber zur Auskunft, das sei nicht möglich, Mikros seien nur für Beatboxer und Solisten zugelassen. Natürlich gingen wir davon aus, das gelte ebenso für den Deutschen Chorwettbewerb (was es laut den Regularien auch tut).
    Dementsprechend waren wir gestern einigermaßen erstaunt, die meisten anderen mit Mikros singen zu hören.
    Das ist ebenfalls ein Fall von missglückter Kommunikation.
    Es wäre schön, wenn bei zukünftigen Chorwettbewerben solche Dinge eindeutig und vor allem einheitlich kommuniziert würden.

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